Es gibt einen kleinen Aufsatz von Heinrich von Kleist, den ich sehr mag: „Über die allmähliche Verfertigung des Gedankens beim Reden„. Kleist beschreibt eine Erfahrung, die wahrscheinlich jeder kennt: Dinge, die einem unklar sind, werden allmählich klarer, wenn man darüber spricht und jemandem versucht seine Gedanken zu erklären. Der Aufsatz fiel mir heute ein, nachdem ich mich am Morgen mit Gerd Felder getroffen habe, der gerade an einer Artikelreihe für „Unsere Kirche“ schreibt. Der Journalist spricht dazu mit Menschen darüber, was ihnen in der Corona-Krise Mut macht. Heute sprach er mit mir über den Anfang in einer Pfarrstelle unter Corona-Bedingungen.

Es war ein sehr interessantes Gespräch mit spannenden Fragen: Hat Corona meinen Glauben verändert? Wie wirkt sich Corona auf mein Gottesverständnis aus, wie auf mein Verständnis von Gebet? Nach kurzem Nachdenken bin ich dazu gekommen, das sich weder mein Glaube, noch mein Verständnis von Gott, noch vom Gebet verändert hat. In gewisser Weise verändert es sich natürlich dauernd. Die Predigtreihe, die ich in der Friedenskirche zu meinem Verständnis von Glauben gehalten habe, war für mich in gewisser Weise eine Selbstklärung, eine Art Bilanz im Übergang. Aber Corona hat darauf eigentlich keine Auswirkungen.

Herr Felder fragte zurück, ob ich mir Gott als Person vorstelle – und da konnte ich schnell antworten: Nein. Das Wort „Person“ bedeutet eigentlich Maske und verweist auf die Masken, die wir tragen und die Rollen, die wir spielen. Gott trägt keine Maske. Gott ist für mich „alles in allem“, wie Paulus schreibt (1. Kor 15, 28), bzw. „Eins und Alles“, wie Friedrich Schleiermacher in der 2. Rede über Religion ausführt. Er argumentiert: Man glaubt nicht an Gott glauben, weil man will oder weil der Gottesglaube nützlich, tröstlich und hilfreich ist, sondern weil man nicht anders kann.

Wenn Gott der Urgrund und das Sein-Selbst ist, wie Paul Tillich sagt (um einen letzten Gewährsmann zu nennen), dann ist meine Existenz, mit allem was existiert, verwoben in das, was Gott ist. Gott ist das absolut Authentische, das verträgt sich nicht mit dem Gedanken einer Persona, einer Maske. Was bedeutet das für das Gebet? Nun, Gebet geht nicht im Bitten auf. Gebet ist Kommunikation mit dem, der alles in allem ist, es stellt eine Verbindung her zum Grund meiner Existenz. Ich wüsste nicht, wie Corona etwas daran ändern sollte.

Jetzt bin ich mal gespannt, was Herr Felder aus meinen verworrenen Gedanken macht. Das Gespräch war jedenfalls Anlass, endlich mal über ein UK-Abo nachzudenken. In Beckum war das gewissermaßen ein Service der Gemeinde. Ich habe mir erstmal ein digitales Probe-Abo bestellt.

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