Die Wahrnehmung ist eine merkwürdige Sache: Solange etwas durch das Wahrnehmungsraster fällt, existiert etwas für einen selbst gar nicht – bis die Aufmerksamkeit hergestellt ist. Bekanntes Beispiel: Wenn ein Paar erfährt, dass es Eltern wird, sieht es ab sofort überall Schwangere und Kinderwagen. Bei uns sind die Laster der Westfalen AG. Irgendwann während des Umzugstags sprachen die Mitarbeiter des Umzugsunternehmens von den Lastern der Westfalen AG, die dauernd am Pfarrgarten vorbei fahren, als wäre irgendwo ein Nest. Seitdem sehen wir die Laster auch, und seit meinem ersten Erkundungslauf weiß ich auch, dass die Firma gerade mal 400 m von uns entfernt ist.

Die Westfalen AG ist ein originales, Münsteraner Unternehmen. Gegründet wurde es 1923. Damals firmierte es noch unter dem Namen Sauerstoffwerke AG, weil das Unternehmen ursprünglich Sauerstoff zum Schweißen und Schneiden von Metallen herstellte. Kurze Zeit später kam der Vertrieb von Kraftstoffen als zweite Sparte hinzu und 1927 eröffnete die Westfalen AG ihre erste Tankstelle am Albersloher Weg. Obwohl das Unternehmen heute eine europaweite Unternehmsgruppe mit mehr als 20 Produktionsstandortes ist, ist der Hauptsitz nach wie vor in Münster.

Den Produktionsstandort in Gremmendorf/Angelmodde gibt es seit 1956. Hier wird Flüssiggas in Flaschen umgefüllt. Produktion und Vertrieb von Flüssigkeit gibt es als dritte Unternehmenssparte seit der Nachkriegszeit. Allerdings sind die Tage der Gremmendorfer Anlage gezählt: Weil der Standort zu klein geworden ist soll die Produktion 2021 in das Industriegebiet „Hessenweg“ im Stadteil Gelmer verlegt werden. Am dortigen Standort hat die Westfalen AG noch große Reserveflächen. Die Stilllegung hat nicht nur Folgen für den LKW-Verkehr. Auch die Güterzugverkehr der WLE ist davon betroffen, weil die Westfalen AG auf dem Bahnabschnitt der letzte Nutzer ist.

Etwas Aufregung gab es im Stadteil im vergangenen Jahr, als Container, die als Übergangs-Kita für den an Kita-Plätzen armen Stadtteil Angelmodde dringend benötigt wurde, nicht genutzt werden konnte, weil die Container zu nah am Produktionsstandort Heidestraße aufgebaut waren. Bis zum Umzug der Westfalen AG sollen die Container nun als Lager der Stadt Münster verwendet werden.

Die rund 12 Hektar große Betriebsfläche der Westfalen AG soll nach dem Umzug anders genutzt werden. Nach Angaben der Stadt Münster ist hier eine Wohnbebauung angedacht. Dann würde in Fußnähe zur Friedenskirche ein weiteres Wohngebiet entstehen.