Heute wurde ich gleich von drei verschiedenen Personen gefragt, ob ich mich denn schon eingelebt habe. Das ist eine interessante Frage. Zunächst ist die Frage natürlich ein perfekter Gesprächseröffner: Wer neu ist erlebt vieles neu und will vielleicht auch vieles erzählen. Mein Blog ist ein Beispiel dafür, wieviel es zu entdecken und zu erzählen gibt, wenn man neu ist. Die Frage ist aber auch deshalb interessant, weil die Redewendung „sich einleben“ spannend ist.

Ich finde es immer interessant zu schauen, wie ein Wort in anderen Sprachen klingt und worauf der Schwerpunkt liegt. Im Englischen würde man z.B. sagen „to settle“ oder „to settle“ into, was soviel bedeutet wie „sich setzen“, „seßhaft/heimisch werden“ oder „sich an etwas gewöhnen“. Im Französischen wäre es „s’intégrer“, also „sich in etwas einfügen“ oder „s’acclimater“, also sich an etwas gewöhnen.

Nach zwei Monaten, das kann ich schon sagen, bin ich noch nicht heimisch geworden. Dafür stehen noch zuviele Kisten herum. Viele Dinge, mit denen wir eingezogen sind, haben noch nicht ihren Ort gefunden – sprich: Wir sind noch dauernd am Suchen. Heimisch wird man wahrscheinlich dann, wenn man weiß, wo die Dinge ihren Ort haben. Aber wir sind dabei, uns umzugewöhnen und uns neues anzugewöhnen. In dem dem Wort „gewöhnen“ steckt“ ja das Wohnen. Das Grimmsche Wörterbuch erklärt „einleben“ unter anderem mit „sich einwohnen“.

Das Einwohnen gilt in gewisser Weise auch für die Kirchengemeinde. So, wie man sich in der Wohnung allmählich einrichtet, richtet man sich auch in der Gemeinde Schritt für Schritt ein. Der Unterschied zur neuen Wohnung ist natürlich, dass die Gemeinde nicht leer ist und ich Möbel aufstelle und für meine Dinge für mich passende Ort suche. Die Gemeide ist vielmehr eine bereits vollständig eingerichtete Wohnung, in der ich erstmal schauen muss, wo ich denn meine Sachen lassen kann, denn überall liegt schon etwas. Manches stammt von Vorgängern und Vorvorgängern, manches ist irgendwie liegengeblieben und keiner weiß mehr, wem es gehört und wie es dahin gekommen ist. Als Neuling traut man sich natürlich nicht, die Sachen wegzuräumen, denn vielleicht wird das ja noch regelmäßig gebraucht. Nach und nach fängt man dann an, seine eigenen Sachen dazu zu legen. Es ist ein Einwohnen in ein schon bewohntes Haus.

Das Grimmsche Wörterbuch erklärt „einleben“ darüber hinaus als „sich hinein leben“. Diese Wendung finde ich eigentlich am allerspanndendsten. Das Verb zeigt an, dass man durchs Leben selbst in das neue Leben hineinkommt. Ich denke mir das ein bisschen so wie man Schuhe einläuft. Am Anfang drückt es noch hier und da, weil die Schuhe ja nicht für meine Füße maßgeschneidert sind, sondern für einen Standardfüße einer bestimmten Größe. Aber wenn die Schuhe grundsätzlich passen und weder zu groß noch zu klein sind, sind die Aussichten ganz gut, dass die Schuhe irgendwann passen wie angegossen.

Mit dem was ich tue, Tag für Tag, lebe ich mich immer weiter in den neuen Ort und in die neuen Aufgaben hinein. Grimmsches Wörterbuch und das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache machen darüber noch aufmerksam auf die Bedeutung, dass man sich auch in Menschen einleben kann. Gemeint ist damit, dass man sich immer besser in Menschen hineinversetzen kann. Auch das gehört letztlich zum Einleben hinzu, und des gilt nicht nur für die einzelnen Menschen hier in der Gemeinde, sondern auch für Gemeinschaftsperson, die Gemeinde selbst.

Die Frage ist also wirklich eine interessante und spanndende Frage. Ich denke, sich einleben ist ein Prozess, der länger dauert als zwei, drei Monate. Wahrscheinlich hat man sich erst dann eingelebt, wenn niemand mehr die Frage stellt, ob man sich eingelebt hat.

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