Vieles in der Gemeinde ist für mich neu und ungewohnt. Interessant ist, wenn Dinge für die Gemeinde ebenso neu und ungewohnt ist wie für mich selbst. So höre ich etwa beinahe in jedem Gottesdienst, dass man sich an die neue Liturgie erst noch gewöhnen muss, und vieles davon nicht vertraut ist. Bei mir führt das dazu, dass ich an einigen Punkten im Gottesdienst ins Stolpern gerate, weil an einer Stelle ein Lied vorgesehen ist, die mich jedes Mal neu überrascht. Den Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern geht es ähnlich, wobei sie in jeder Gemeinde und bei jeder Kollegin und bei jedem Kollegen sowieso immer neu schauen müssen, wie es jetzt gemacht wird. Ich will also heute mal über das Fehlermachen nachdenken.

Zum Glück ist die Liturgie des Gottesdienstes so unvertraut, dass die meisten eine Abweichung gar nicht bemerken – zumal unter Coronabedingungen sowieso vieles anders läuft. Erst wenn ich selbst irritiert bin, überträgt sich die Irritiation auf die Gemeinde. So ging es mir heute am Anfang einer Beerdigung. Ich hatte mich irgendwie bei einem Datum vertan und noch beim Sprechen zwar den Fehler bemerkt, aber nicht sofort begriffen, was genau falsch war. Das Nachdenken über den Fehler, während ich weiter gesprochen habe, sorgte für zwei, drei Versprecher und man spürte die Irritation der Trauergemeinde. Tritt gefasst habe ich wieder durch das Singen des „Ehr sei dem Vater“ (wegen Corona natürlich von mir allein ). Es war wie das Drücken eines Resetknopfes. Danach fühlte ich mich wieder auf sicherem Terrain und es ging weiter.

Bei Richard Rohr habe ich mal den Satz gelesen: „Imperfection is all I can offer.“ Also: „Unvollkommenheit ist alles, was ich anbieten kann.“ Der Satz ist für mich ein Leitsatz geworden für einen christlichen Umgang mit Fehler. Auf der einen Seiten will man natürlich alles gut und richtig machen. Auf der anderen Seite gehört Scheitern zum Handeln dazu, und wer das nicht einsieht, macht eventuell alles nur noch schlimmer. Was helfen kann sind Routinen. Deshalb übt man beim Fahrtrainung bestimmte Situation so lange, bis die richtige Reaktion in Fleisch und Blut übergeht. „In vitium ducit culpae fuga, si caret arte“, sagt der Dichter Horaz, was soviel heißt wie: „Die Flucht vor Versagen führt zu Fehlern, wenn die Routine fehlt.“

Die Lateiner unter den Leserinnen und Lesern werden natürlich bemerkt haben, dass ich „ars“ nicht mit „Kunst“ oder „Kunstfertigkeit“, sondern als „Routine“ übersetzt habe. Sehen Sie es mir nach: „Imperfection is all I can offer.“ Aber ich denke, letztlich geht es darum: Das man mit einer gewissen Sicherheit handeln kann, um so durch Fehler, die man nie völlig vermeiden kann, nicht vollends ins Straucheln zu geraten.

Andererseits: Wenn man immer wieder an der gleichen Stelle stolpert wie Butler James in „Dinner for one“ sollte man überlegen, was man anders manchen kann. Entweder braucht es mehr Einübung und Training, oder man muss die Stolperfallen entfernen. Als Vikar habe ich ich Gebete oft aus dem Gottesdienstbuch genommen, mich dabei aber immer wieder versprochen. Mein Mentor Peter Sinn meinte daraufhin: Wenn ich mich immer verspreche, ist das ein Hinweis darauf, dass das einfach nicht meine Sprache ist. So habe ich angefangen, die Gebete in eigene Worte zu fassen – und irgendwann, meine eigenen Gebetstexte zu schreiben.

So ist es auch im Moment: Ich gehe freier mit der Liturgie um, versuche mal dies, mal das und hoffe, dass die Gottesdienstgemeinde dadurch nicht irritiert, sondern im Gegenteil selbst trittsicherer wird. Am Sonntag wird es im Gottesdienst ums Tun und auch um Fehler gehen. Und was die Gottesdienstliturgie betrifft, ist wahrscheinlich sowieso geplant, nach einiger Zeit die Erfahrungen auszuwerten. Ich denke, dass wir dann auch über ein paar Anpassungen reden können. Bis dahin sehen Sie mir das eine oder andere Stolpern nach, denn leider ist alles, was ich zu bieten habe, Unvollkommenheit. Aber dankbar bin ich, wenn Sie mich auf Fehler ansprechen, die Sie ärgern oder stören. Denn nur so besteht die Aussicht, dass ich auch etwas daran ändere.