Ein kleiner Gottesdienst für Zuhause mit Psalm, Gebet, Predigtgedanken und einem Segenswunsch.

Psalm 122

Welch eine Freude, als sie sagten:
Lasst uns zum Haus des Heiligen gehen.

Jetzt sind wir hier, Jerusalem,
und staunen, wie Haus an Haus sich fügt.

Die Stämme Israels lobten dich hier.
Hier sprach König David Recht.

Möge Jerusalem Frieden erfahren.
Heil allen, die diese Stadt lieben.

Möge Frieden herrschen in deinen Mauern
und Glück in all deinen Häusern.

Um unserer Schwestern und Brüder willen
wünschen wir Segen und Frieden.

Weil hier das Haus des Heiligen steht,
suchen wir Frieden für die Stadt und die Welt.

Gebet

Du bist da, wie du da warst für Israel
auf dem Weg aus der Sklaverei in die Freiheit.
Du bist da, wie du da warst
in Israels Ringen um Gerechtigkeit.
Du bist da, wie du da warst
in Israels Hoffen auf Rettung und Heil.
Du bist da für uns,
wie für Israel da warst, da bist und da sein wirst.
Wir loben deinen heiligen Namen.

Warum die einen glauben und die anderen nicht

Warum glauben manche Menschen und andere glauben nicht? Der Soziologe Max Weber hat das für sich selbst am Beispiel der Musik deutlich gemacht. Weber hat sich zwar als Wissenschaftler für Religion interessiert, hielt sich aber selbst nicht für religiös: „Ich bin einfach religiös unmusikalisch!“

Einer meiner Opas war schwerhörig. Die Schwerhörigkeit meines Opas war eine komplizierte Sache: Wenn man ihm etwas Wichtiges sagen wollte, musste man manchmal richtig schreien, und er hat es doch nicht verstanden – vor allem bei Sachen, die ihm unangenehm waren. Andererseits gab es Situation, bei denen er das Hörgerät nicht trug – und trotzdem verstand er Sachen, die jemand ganz leise sagte. Da ging es meistens um Dinge, die er nicht hören sollte. Natürlich war mein Opa wirklich schwerhörig, aber manches wollte er auch nicht hören.

Ich habe mir so immer vorgestellt, was die Bibel mit „Verstockung“ meint. Das Wort bedeutet eigentlich: „so steif wie ein Stock werden“. Im übertragenen Sinn meint das dann: störrisch sein, sich quer stellen. In der Geschichte von der Befreiung Israels aus Ägypten wird erzählt: Der Pharao wollte die Warnung von Mose nicht hören. Gott hatte ihn verstockt. Und wer nicht hören will, muss fühlen.

Warum glauben manche Menschen und andere glauben nicht? Sind die einen eben stocktaub für religiöse Themen, während die anderen ein feines Gehör haben für Religiöses? Für den Apostel Paulus war die Verstockung ein passendes Bild, um zu erklären, warum manche von der Botschaft von Jesus angesprochen sind und andere nicht. Paulus selbst hatte als frommer Jude ursprünglich selbst fanatisch die Anhänger von Jesus verfolgt – bis ihm eine Vision die Augen öffnete. Er wurde davon für eine Zeit blind, aber nun hörte er die Stimme von Jesus – und das änderte sein Denken, sein Glauben, sein Leben.

Manche Christen dachten damals: Die Juden, die nicht an Jesus glauben, sind verstockt. Sie sind störrisch und stellen sich quer gegen das offensichtliche: Jesus ist der Messias. Deshalb hat Gott sich von seinem erwählten Volk abgewendet und sich neue Leute gesucht: alle, die Jesus nachfolgen.

Paulus widerspricht solchen Überlegungen: „Ich will euch über folgendes Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen: Tatsächlich hat Gott dafür gesorgt, dass sich ein Teil von Israel vor ihm verschließt. Das soll aber nur so lange dauern, bis alle heidnischen Völker sich ihm zugewandt haben. Und auf diese Weise wird schließlich ganz Israel gerettet werden.“ (aus Römer 11)

Paulus begründet das so: Gott hat das Volk Israel erwählt und bleibt ihm treu. Die übrige Menschheit wollte nichts von Gott wissen, aber aus Gnade hat Gott alle Menschen in seine Familie aufgenommen. Jetzt glauben die Juden nicht, dass Jesus wirklich der Messias war, aber auch ihnen wird Gott am Ende gnädig sein. Gott will nämlich alle Menschen zu einer großen Familie vereinen.

Warum glauben manche Menschen und andere glauben nicht? Für mich ist „Verstockung“ heute kein gutes Erklärungsmodell mehr. Vor allem im Blick auf den Dialog zwischen Christen und Juden muss man sagen: Das Erklärungsmodell aus dem Neuen Testament ist bis heute ein wichtiger Baustein des christlichen Antisemitismus. Dass Gott Menschen verstockt und dann auch noch für ihre Verstockung bestraft – ein Gedanke, der in der Bibel immer wieder auftaucht – leuchtet mir überhaupt nicht ein. Es war ein Versuch, zu erklären, warum die einen Menschen nicht glauben, was für die anderen offensichtlich ist.

Eines der Probleme, die ich mit dem Gedanken der Verstockung habe: Es gibt gewissenmaßen nur ein religiöses An oder Aus – entweder man glaubt oder man glaubt nicht. Aber das stimmt nicht. Glaube kennt viele Zwischentöne. Bei manchen Dingen gibt es einen Gleichklang, bei anderen reiben sich die Töne. Für mich ist christlicher Glaube und jüdischer Glaube ein zusammenhängendes, komplexes Klanggebilde. Viele Töne klingen miteinander, auch wenn manche ungewohnt klingen oder schief. Die An/Aus-Frage „Warum glauben manche Menschen und andere nicht?“ ist eigentlich falsch gestellt.

Ostern habe ich in der Christus-Kirche in Beckum im Glockenturm gestanden und Trompete gespielt. Bei bestimmten Tönen fingen die Glocken an zu klingen. Die Schwingungen des Trompetentons haben sich auf die Glocke übertragen – je nach Stimmung der Glocke. Man nennt das Resonanz.

Der Soziologe Hartmut Rosa hat dazu eine Resonanztheorie entwickelt. Auch Glauben erklärt er damit sehr anschaulich: Ein Lied, ein Gebet oder ein Bibelvers kann wie der Ton der Trompete sein und die Glocke in mir in Schwingung bringen. Die Person neben mir bleibt davon vielleicht unberührt, weil sie auf einen anderen Ton gestimmt ist. Bei ihr ist es vielleicht der Lichteinfall durch die Kirchenfenster oder ein Vogelzwitschern, der Resonanz erzeugt.

Was macht die religiöse Schwingung aus? Harmut Rosa formuliert das so: „Im Glauben entsteht das Gespür dafür, dass ich mit etwas Größerem verbunden bin. Etwas, das mich hört und mich meint.“ Es geht nicht um religiöse Verstockung oder Taubheit. Es geht um die Frage, ob etwas in Schwingung kommt. Es geht um religiösen Vielklang, zwischen unterschiedlichen Christen, zwischen Christen und Juden, zwischen verschiedenen Religionen. Nicht jeder wird durch das Gleiche angesprochen. Jeder wird auf seine Weise angesprochen. In jedem klingt ein anderer Ton an. Aber wenn es gut ist, klingen wir wie eine große Klangfamilie.

Segen

Möge Gott deine Sinne segnen.
Deine Augen für sein Erscheinen in kleinen Dingen.
Deine Ohren für sein sanftes Klingen.
Deine Zunge um ihn im Brot zum Schmecken.
Deine Nase um ihn im Wein zu wahrzunehmen.
Deine Hände um ihn in der Berührung zu spüren.

Beitragsbild von Dimitris Vetsikas auf Pixabay.