Der Mensch ist das Tier, das Sprache hat, lautet die klassische Definition bei Aristoles. Natürlich kommunizieren auch Tiere miteinander, aber auf andere Weise. Eine Sprache mit Wortschatz und Grammatik, so einfach sie auch sein mag, gibt es nur bei Menschen. In besonderer Weise sieht man es daran, was der Mensch mit der Sprache anstellt: Wir geben den Dingen nicht nur Namen, sondern erzählen Geschichten – und Namen enthalten kleine Geschichten. Zum Beispiel Ortsnamen wie Gremmendorf oder Angelmodde. Der Mensch ist das Tier, das aus Geschichten lebt.

Wer mich schon ein wenig kennengelernt hat, dürfe mitbekommen haben, dass ich nicht nur gerne Geschichten erzähle, sondern Geschichten gerne auf den Grund gehe. Das gilt besonders für Wort- und Namensgeschichten. Dass etwas heißt, wie es heißt, hat oft seine Wurzel in alltäglichen Handlungen oder außergewöhnlichen Begebenheiten. Das gilt nicht nur für Wörter wie Glaube oder Liebe, sondern auch für Personen-, Familien- und Ortsnamen.

Zu Gremmendorf hatte ich neulich schon einiges erzählt. Heute habe ich mir frisch das Buch „Münsters Ortsnamen“ von Christof Spannhoff gekauft. Es ist gerade erst erschienen. Durch einen Artikel in den Westfälischen Nachrichten war ich darauf aufmerksam geworden. Spannhoff ist Historiker und wiss. Mitarbeiter an der Uni Münster. Seine Erklärung entspricht eigentlich dem, was ich neulich schon beschrieben hatte – mit einem wesentlichen Unterschied, dass er die Bezeichnung „Gremmendorf“ schon weitaus früher terminiert. So gab es die Bezeichnung Gremme-Dorf (noch ohne „n“) bereits 1723. „Gremmendorf“ findet sich als Name bereits 1841.

Die Geschichte, dass der Name einer Haltestelle der Westfälischen Landeseisenbahn Anfang des 20. Jahrhunderts die ältere Bezeichung Delstrup verdrängt hat, ist zwar eine schöne Geschichte, scheint aber nicht ganz der Wahrheit zu entsprechen. Unerzählt bleibt leider die spannende Geschichte, warum die kleine Hofstelle Gremme, die 1546 erstmals schriftlich erwähnt wurde, und die zum Hof eines Brinksitzers gehört, also jemandem, der sich mit Handwerks- und Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielt, zur Bezeichnung für eine Siedlung und später für einen ganzen Stadtteil wurde. Vermutlich steckt darin der Stoff für einen ganzen Roman.

Der Name „Angelmodde“ ist noch weitaus älter. Er findet sich 1175 erstmals in einer Urkunde, in der ein Simon de Angelmuden auftritt. Der Name verweist schon darauf, dass Angelmodde nichts mit „Modder“ oder ähnlichen unappetittlichen Dingen zu tun hat, sondern sprachgeschichtlich mit „Mund“ zusammenhängt. Angelmodde bezeichnet also ursprünglich den Ort, an dem die Angel, als das kleine Flüsschen, das bei Vellern entspringt und sich dann über Neubeckum und Enniger Richtung Münster schlängelt, bei Wolbeck in die Werse mündet.

Auch der Name des Flüsschens hat eine Geschichte. Die Angela, so die alte Bezeichung im 12. Jahrhundert, enthält im Kern das Wörtchen „ang“, was entweder dem heutigen „eng“ entspricht oder im germanischen auch „biegen“ bedeutet. Die Angel ist also „entweder der ‚enge Bach‘ oder der ‚Fluß mit Biegungen'“, so Spannhoffs Fazit.

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