Ich habe heute mal eine Kurzform des Gottesdienstes zum Mitnehmen fertiggemacht und ausgelegt. So kann man einen Zettel mitnehmen und weitergeben an jemanden, der nicht zum Gottesdienst kommen kann. Mal schauen, ob ich das in Zukunft weiterverfolge: Der verteilte Zettel enthält doch noch viele Tippfehler, weil die Zeit zum Überarbeiten fehlte. Hier eine verbesserte Version.

Gebet

Jeder Mensch ist begabt
und beschenkt mit Talenten:
einige mehr, andere weniger.
Aber alle können etwas:
zuhören oder reden
planen oder ausführen
singen und malen oder Kunst genießen,
ernst sein oder fröhlich
mutig sein oder bedacht.

Guter Gott,
jeden von uns hast du wunderbar gemacht
und gesegnet besonderen Fähigkeiten.
Wir wollen sie entdecken und einsetzen
und durch unser mutiges Handeln
deinen Namen loben und preisen.

Psalm 40

Mein ganzes Herz hofft auf den Einen,
der mich erhört und mir hilft:

Er zieht mich aus dem Schlamm
und stellt meine Füße auf festen Grund.

Froh, wer dem Ewigen vertraut
und nicht glaubt dem Rat stolzer Schwätzer.

Unvergleichlich bist du, unser Gott.
Die Wundergeschichten nehmen kein Ende.

Darum will ich meine Ohren öffnen für dein Wort
und dein Gebot in meinem Herzen tragen.

Was du versprichst, das löst du ein.
Davon will ich allen erzählen.

Niederreißen und aufbauen

Am Anfang ging es Attila Hildmann um Protest gegen Corona-Maßnahmen. Er sprach vom Mut, sich gegen die herrschende Meinung zu stellen. Aber schnell wurden seine Ansichten immer kruder. Trotzdem tritt er mit großem Selbst- und Sendungsbewusstsein auf: Er will ein mutiger Kerl sein. Allerdings zeugen sein schon früher auffallender Geltungsdrang, sein Macho-Gehabe und seine Drohungen gegen Leute, die nicht seiner Meinung sind, eher von geringem Selbstbewusstsein.

Grundsätzlich stimmt es ja: Es gehört Mut dazu, sich mit einer abweichenden Meinung gegen eine Mehrheit zu stellen. Aber es gehört noch mehr Mut dazu, sich seinen Selbstzweifeln und kritischen Fragen zu stellen.

Der Prophet Jeremia war ein Mensch, der von Zweifel und geringem Selbstbewusstsein geprägt war. Als Gott ihn mit einem Auftrag losschickt, sagt er: „Das kann ich nicht!“ Jeremia erzählt davon im Rückblick:

Eines Tages sprach der HERR zu mir: „Ich habe dich schon gekannt, ehe ich dich im Mutterleib bildete, und ehe du geboren wurdest, habe ich dich erwählt, um mir allein zu dienen. Du sollst ein Prophet sein, der den Völkern meine Botschaften verkündet.“ Ich aber erwiderte: „O nein, mein HERR und Gott! Ich habe keine Erfahrung im Reden, denn ich bin noch viel zu jung!“ Doch der HERR entgegnete: »Sag nicht: Ich bin zu jung! Zu allen Menschen, zu denen ich dich sende, sollst du gehen und ihnen alles verkünden, was ich dir auftrage. Fürchte dich nicht vor ihnen, ich bin bei dir und werde dich beschützen. Darauf gebe ich, der HERR, mein Wort.“ Er streckte mir seine Hand entgegen, berührte meinen Mund und sagte: „Ich lege dir meine Worte in den Mund und gebe dir Vollmacht über Völker und Königreiche. Du wirst sie niederreißen und entwurzeln, zerstören und stürzen, aber auch aufbauen und einpflanzen!“ (Jeremia 1,4-10 Hoffnung für alle)

Ich habe neulich in der Predigt darüber nachgedacht, welcher Lebenstraum sagt uns, wofür wir leben. „Ich habe dich zum Propheten bestimmt. Du wirst niederreißen und zerstören, aufbauen und neu pflanzen.“ – Das klingt nicht gerade nach Lebenstraum. Kein Wunder, dass Jeremia zurückschreckt.

Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich die eine Lebensaufgabe gibt. Aber ich glaube: Jede und jeder hat ein Gespür für Aufgaben, die eigentlich dran sind und die sich stellen. Beim Streit in der Familie im Nachbarhaus was sagen. Beim Gepöbel einer Gruppe im Freibad gegenüber einem farbigen Kind einschreiten. Einem Freund sagen, dass er zu viel Alkohol trinkt …

Aber wer bin ich, hier den Mund aufzumachen. Ich bin zu jung. Ich bin zu alt. Ich kenne die Leute gar nicht, … Spüren, dass man was sagen sollte, ist das eine. Den Mut aufbringen, Unangenehmes und Kritik zu äußern, ist was anderes. Wie unangenehm, wenn man spürt: Aber genau dazu bin ich da. Ich bin hier, um den Mund aufzumachen.

„Hier stehe ich! Ich kann nicht anders!“ lauten die berühmten Worte Luthers auf dem Reichstag zu Worms (die er vermutlich nie gesprochen hat). Luther wird oft mutig dargestellt und selbstsicher dargestellt. Eigentlich hat er aber dauernd gezweifelt und war unsicher. Trotzdem ist er seinen Weg gegangen.

Heute sind es vielleicht die Frauen von „Maria 2.0“, die nicht auftrumpfend auftreten, sondern eher aus der Ohnmacht heraus handeln – und doch beharrlich fordern. Mitten in dem Gefühl „Ich kann das nicht“, die Erfahrung zu machen „Ich kann das doch!“, kann in allem Zweifel Mut machen, weiter zu gehen.

Jeremia saß mit seiner Kritik zwischen allen Stühlen. Er hatte die Beamten und das Königshaus gegen sich, die Priester und Propheten, die den Mächtigen nach dem Mund redeten – aber auch die Bevölkerung. Gottes Zusage „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir!“ hatte er dringend nötig. Ihm selbst hätte es an Selbst- und Sendungsbewusstsein gefehlt um ausreißen und niederreißen, aufbauen und neu zu pflanzen.

Für mich ist das wesentliche an der prophetischen Kritik: Sie kann hart sein, aber sie zielt am Ende darauf, aufzubauen. Wir nennen das heute „konstruktive Kritik üben“. Anhänger von Verschwörungsmythen treten mit destruktiver, zerstörerischer Kritik auf. Sie sind geleitet von einer Wut, die kaputtmachen will.

Die richtigen, passenden Worte zu finden, die kritisieren ohne zu zerstören, das ist die Kunst. In Manfred Siebalds Lied „Gib mir die richtigen Worte“ heißt es: Gib mir „Worte, die klären, Worte, die stören … Wunden finden und verbinden“. Kritik und Widerstreit sind dann gut und wichtig, wenn sie niederreißen, um aufzubauen, wenn sie stören, um zu klären, wenn sie den wunden Punkt berühren, um zu heilen. „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir!“.

2008 befand sich Barack Obama im Präsidentschaftswahlkampf. Er sprach die großen weltpolitischen Probleme an: Ungerechtigkeit, Armut, Krieg. Er fragte: Können wir dem was entgegensetzen und sagte: „Yes, we can.“ 2015 sagte Angela Merkel mitten in der Flüchtlingskrise: „Wir schaffen das!“

Wir brauchen die Ermutigung „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir!“. Wir brauchen diese Ermutigung, um in Krisen und vor großen Veränderungen nicht einzuknicken. „Sag nicht, du bist zu jung, zu alt, zu unerfahren, zu unsicher … Du brauchst nicht wütend auf die Kleineren und Schwächeren einzuschlagen. Du brauchst nicht zornig um dich zu schlagen. Du schaffst das!“

Gott traut uns etwas zu – uns als einzelnen, als Gemeinde, als Kirche: Ja, du kannst das. Du kannst deine Furcht überwinden. Du kannst dich deinem Zweifel und deiner Unsicherheit stellen. Du kannst richtige und treffende Worte finden. Du kannst den Finger in die Wunde legen. Du kannst so mithelfen Hoffnung zu pflanzen und Zuversicht aufzubauen.

Segen

Ich wünsche dir,
dass die weißen Wolken am Himmel deine versunkenen Träume wieder neu aufsteigen lassen in dir und deine wiedererweckten Sehnsüchte dich in den Tag hinein bewegen.

Ich wünsche dir,
dass der Wind deinen Atem belebt und dich erfrischt zu neuen Schritten,
durch die Veränderung geschieht.

Ich wünsche dir,
dass dich die Dunkelheit der Nacht nicht ängstigt und bedroht,
sondern dass dir ein Stern aufleuchtet, der dir Hoffnung verheißt für den kommenden Tag.

Gebet, Psalmübertragung und Gedanken zum Predigttext: Karsten Dittmann Segenstext: Hans König
Beitragsbild von Esi Grünhagen auf Pixabay