Corona beschert uns den nächsten Lockdown. Gottesdienste wird es voraussichtlich weiter gegen, aber nicht nur in der Friedenkirche, sondern ab sofort auch Online.
Video-Andacht zum 21. Sonntag nach Trinitatis aus der Friedenskirche
Ist Glaube Privatsache? Eine schwierige Frage, auf die ich erstmal mit einem klassischen „Jain“ antworte.
Hinter uns liegt gerade der Reformationstag. Wir erinnern uns: Die Reformatoren betonten die persönliche Frömmigkeit. Glaube wurde in Folge der Reformation mehr und mehr zu einer Frage des Einzelnen: Niemand hat mir in meinen Glauben reinzureden – kein Pfarrer, kein Bischof, kein Papst. Glaube ist eine Sache zwischen Gott und mir.
Aber gleichzeitig gilt auch: Die Reformation hat die Welt auf den Kopf gestellt. Die Idee von der Freiheit eines Christenmenschen führte zu Bauernaufständen. Der Kaiser wollte keine religiöse Uneinigkeit unter seinen Untertanen und wollte sie zurückzwingen in die römische Kirche, wogegen einige Landesfürsten protestierten – was den Evangelischen den Namen „Protestanten“ einbrachte.
Glaube ist eine zutiefst persönliche Frage. Aber Glaube lässt sich nicht ins Kämmerlein einsperren. Was mich im Innersten bewegt, das drängt nach draußen und beeinflusst die Welt um mich herum. Das kann gut sein. Das kann aber auch schlecht sein.
Es soll gut sein, sagt der Prophet Jeremia. Er lebte zu einer Zeit, als das Reich Israel untergegangen und seine Elite nach Babylon deportiert worden war. Jeremia schrieb aus Jerusalem einen erstaunlichen Brief an die Menschen im Exil in Babylon:
„Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.“ (Jeremia 29,5-7)
Mein Glaube gehört in den Alltag. Mein Glaube gehört mitten in die Welt, in der ich lebe. Mein Glaube ist privat, doch gleichzeitig trägt mein Glaube etwas aus für die Welt, in der ich lebe.
„Suchet der Stadt Bestes“, heißt es in der Lutherbibel. Die Übersetzung verschleiert, was das „Beste“ und „Wohlergehen“ meint. Im Hebräischen steht hier immer das Wort „Schalom“. Das Wort hat eine breite Bedeutung: Sorgt dafür, dass es der Stadt und den Menschen gut geht. Fragt danach, wie ihr für sichere und gerechte Verhältnisse sorgen könnt. Kümmert euch um das, was dem Leben dient. Sucht nach Schalom für die Stadt. Denn wenn die Stadt Frieden hat, habt ihr auch Frieden.
Glaube kann aber auch schlecht sein für die Welt. Religion kann zur Ideologie werden, die von Hass getrieben ist und Unfrieden stiften will. Aktuell steht dafür der Islamismus, eine Ideologie, die den Islam hässlich verzehrt. In Nizza hat gerade ein Islamist drei Menschen in einer Kirche brutal ermordet. Der Mörder will nicht Frieden, sondern Hass.
2015 wurde die Ehefrau des Journalisten Antoine Leiris beim Attentat auf den Konzertsaal Bataclan in Paris ermordet. Leiris postete auf Facebook einen Text mit dem bewegenden Satz: „Meinen Hass bekommt ihr nicht.“ Kein „Auge um Auge“. Die Mörder wollten Unfrieden und Wut provozieren. Diesen Triumph will Leiris den Mördern nicht gönnen. Auch das ist Suchen nach Frieden.
Nach Schalom suchen – für mich ist das zutiefst persönlich und höchst politisch. Denn natürlich zielt mein Glaube auf Frieden in mir: in meinem Herzen, in meiner Seele. Aber es kann keinen wirklichen inneren Frieden geben, solange die Welt um mich herum im Unfrieden ist. Jesus sagt: „Liebt eure Feinde! Betet für die, die euch verfolgen!“ Er verbindet das Private mit dem Politischen. Gerade das Gebet für die Feinde zeigt: Beten ist keine Flucht. Wer betet, nimmt sich immer auch selbst ins Gebet. Gebet ist nur dann echt und ehrlich, wenn ich alles dafür tue, dass das Wirklichkeit wird, was ich im Gebet erflehe.
Sucht nach Frieden für die Stadt, und betet für sie zum HERRN. Diesen Auftrag tragen wir als Friedens-Kirchengemeinde sogar im Namen. Wir beten für die Stadt, denn hat die Stadt Frieden, haben auch wir Frieden.
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