Der Tod setzt ein großes Fragezeichen. Die Menschen haben höchst unterschiedliche Vorstellungen vom Tod. “Wie werden die Toten auferstehen?” Werden die Toten überhaupt auferstehen? Auch Christen glauben nicht alle das gleiche. Eine Umfrage zeigt: Zwei Drittel der Deutschen glauben, mit dem Tod ist alles aus. Bei der gleichen Umfrage sagt aber die Hälfte, sie glauben, an ein Wiedersehen mit Angehörigen. Ein merkwürdiger Widerspruch: Offenbar glauben einige sowohl an ein Wiedersehen als auch daran, dass mit dem Tod alles endet. Der Tod ist und bleibt ein großes Rätsel.

Gottesdienst am 22. November 2020 in der Friedenskirche

“Wie werden die Toten auferstehen?”, wird Paulus gefragt. Es ist allerdings keine ehrlich gestellte Frage. Im Hintergrund steht Skepsis: “Auferstehen von den Toten? Das ist doch Unsinn. Völlig unvorstellbar.“

Wie werden denn die Toten auferweckt? In was für einem Leib werden sie kommen? Du Tor! Was du säst, wird nicht zum Leben erweckt, wenn es nicht stirbt. Und was säst du? Nicht den zukünftigen Leib säst du, sondern ein nacktes Korn, ein Weizenkorn etwa oder ein anderes Korn. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er es gewollt hat, jedem Samen seinen besonderen Leib. Nicht alles Fleisch ist dasselbe Fleisch; anders ist das Fleisch der Menschen als das des Viehs, anders das Fleisch der Vögel als das der Fische. Es gibt himmlische Körper, und es gibt irdische Körper. Doch anders ist der Glanz der himmlischen als der der irdischen. Anders ist der Glanz der Sonne als der Glanz des Mondes, und wieder anders der Glanz der Sterne; denn ein Himmelskörper unterscheidet sich vom anderen durch seinen Glanz. So verhält es sich auch mit der Auferstehung der Toten: Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt wird in Unvergänglichkeit. Gesät wird in Niedrigkeit, auferweckt wird in Herrlichkeit. Gesät wird in Schwachheit, auferweckt wird in Kraft. Gesät wird ein natürlicher Leib, auferweckt wird ein geistlicher Leib.

1. Korinther 15,35-44 Zürcher Bibel

Was wir glauben, ist abhängig von dem, was wir uns vorstellen können. Das ist natürlich auch beim Tod so. Wir wissen zum Beispiel: Unser Körper ist vergänglich. Das ist uns gerade in diesem Jahr deutlich geworden, mit schrecklichen Bildern vom Sterben auf Krankenhausfluren und von Massengräbern. Dass die Gräber sich öffnen und wiederbelebte Körper auferstehen – die Vorstellung erscheint vielen absurd. Viele glauben nicht an Auferstehung, weil sie sich das nicht vorstellen können.

Überzeugender scheint da zu sein, Körper und Seele zu trennen. Haben Sie den letzten Tatort aus Münster gesehen? Professor Börne hatte einen Unfall. Er stieg verletzt aus dem Wagen. Hilfe eilte herbei, aber alle liefen an ihm vorbei. Und dann sah Börne plötzlich den Grund: Er sah seinen eigenen Körper am Boden liegen. Die Seele hatte den Körper verlassen. Das können die Menschen sich – in Korinth wie heute –besser vorstellen. Unser Körper ist vergänglich. Er verwest in der Erde oder wird vielleicht verbrannt. Die Seele mag weiterleben. Aber dass ein toter Körper einfach wieder aufsteht – ist es nicht dumm, das zu glauben?

Stellt euch doch nicht dümmer als ihr seid, sagt Paulus. Natürlich ist Auferstehung nicht Auferstehung desselben Körpers. Paulus erinnert an eine Alltagserfahrung: Aus Samenkörnern, die ausgesät werden, werden ja nicht einfach neue Samenkörner. Das Samenkorn keimt, die Hülle bricht auf und eine neue Pflanze wächst. Die Blume oder der Baum haben doch nicht denselben Körper wie das Samenkorn. Mit der Auferstehung ist es ähnlich. Auferstehung ist Verwandlung.

Die Verwandlung beginnt mit der Taufe. Ursprünglich wurden Menschen bei der Taufe ganz unter Wasser getaucht. Dieses Untertauchen ist ein symbolisches Sterben. Das Auftauchen ist ein symbolisches Aufstehen in ein neues Leben. Alles wird neu. Ein Gedicht beschreibt das so: „die abgeschabten / Stellen meines Kleides, / die wurden auf einmal schön, / leuchtend von einem Licht, / das vom Himmel fiel, / wie Gold und Silber so hell / und wie Bronze, / Lichter aus himmlischen Fenstern.“ Gott sagt: Du bist mein geliebtes Kind. Die große Verwandlung beginnt mit der Taufe.

Was ich ermutigend finde: Das neue Leben leuchtet schon im Hier und Jetzt auf. Stellt euch doch nicht dümmer als ihr seid, sagt Paulus. Auferstehung heißt nicht, dass dasselbe Leben mit demselben Körper in einer anderen Welt weitergeht. Auferstehung ist Verwandlung. Die Verwandlung hat mit der Taufe längst begonnen.

Klar: Du steckst immer noch in diesem alten Körper, einem vergänglichen Körper – verletzlich, zerbrechlich und alles andere als perfekt. Aber du bist und bleibst Kind Gottes. Das kann dir niemand nehmen, nicht einmal der Tod. Vor kurzem habe ich im Internet ein kurzes Video gesehen. Eine ehemalige Ballerina sitzt im Rollstuhl, ganz in sich versunken und traurig. Sie ist demenzkrank. Da stellt jemand die Ballettmusik von Schwanensee an. Ganz zaghaft beginnt diese alte Tänzerin mitzutanzen. Die Bewegungen stecken in ihr. Es ist so berührend und ergreifend zu sehen, wie die alte Frau sich aufrichtet und innerlich zu leuchten beginnt. Wir tragen jetzt schon einen unvergänglichen Glanz in uns, voll Würde und Kraft. „Lass euer Licht leuchten“, sagt Jesus. Durch den alten, gebrechlichen, unvollkommenen Körper hindurch.

Auferstehung ist Verwandlung. Aber nicht so, dass das alte Leben verschwindet und vergessen wird. Ich stelle mir vor: So wie im alten Leben schon das Neue aufscheint, so klingt im neuen Leben noch das Alte nach. Verwandelt werden wir, doch nicht verschwinden. Was mich tröstet, ist die Zuversicht: Das Leben bleibt.

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